Der Gorilla bekommt ja nichts mit. Sitzt an den Grabstein gelehnt und hofft auf Besucher*innen. Die Sonne scheint und so gehe ich bei ihm vorbei, spazieren gehen ganz allein ist ja noch erlaubt. Als ich ihm berichtet habe was gerade los ist in der Welt, starrt er mich verschreckt und ängstlich an.
Die ganze Woche über bin ich, besonders bei der Arbeit, im Corona-Stress. Wenn ich am Abend im Bett liege merke ich wie verspannt ich bin und habe Mühe besonders meinen Schultergürtel und die Kiefergelenke zu entspannen. So viel muss organisiert und bedacht werden, eine Sondersitzung jagt die nächste bevor wir in Kurzarbeit gehen müssen. Das bedeutet, dass zumindest die Aussichten für weniger Stress an der Arbeit in der nächsten Woche besser sind. Das ist nun aber auch irgendwie makaber.
Am Dienstag will ich für Erica einkaufen. Sie wünscht sich verschiedenste Lebensmittel (“Kein Klopapier! Klopapier kaufe ich immer erst wenn ich nur noch 2 Rollen habe. Die spinnen doch jetzt die Leute, die so viel Klopapier kaufen. Was wollen die denn damit?”) und Torte. Beim Tortenkauf laufe ich, wie schon so oft, an dieser Werbung vorbei. Bisher war immer zu viel los im Café, aber diesmal ist es leer und ich muss endlich mal etwas sagen. Sehr freundlich bin ich dabei und auch die Verkäuferin ist sehr freundlich. Als ich jedoch auf das rassistische Schild hinweise, fällt eine Klappe herunter und von da an ist sie sehr distanziert. Ich solle mich an den Inhaber des Ladens wenden. Ich frage ob bisher noch nie jemand was gesagt hätte. Doch, es hätten schon einige Menschen etwas gesagt, aber ich solle mich an den Inhaber wenden. Das werde ich nun auch tun. Habe ja bald genügend Zeit Briefe zu verfassen. Trotzdem bin ich wieder einmal fassungslos, traurig und wütend darüber, wie offen rassistisch es überall zugeht.
Beim Überbringen der Torte und des Einkauf an Erica, musste ich leider mit ihr streiten weil sie die Kontakt- und Abstandsregelungen albern fand. Zurück in Kassel schenkte ich mir die schönen Tulpen um mein schlechtes Gewissen zu besänftigen. Es ist schwer sich immer wie eine schlechte Tochter zu fühlen. Beim Telefonat am Samstag gab sie der Kanzlerin Recht und empörte sich über die dummen Menschen die sich nicht an Regeln halten können. Ich atmete sämtliche Entgegnungen hinweg.
Am Mittwoch fahre ich nach der Arbeit zur Fulda und stecke die Füße ins Wasser. Viel weniger kalt als erwartet war das.
Zum Wäsche draußen trocknen bin ich nicht mehr gekommen. Ab Donnerstag war es wieder richtig kalt und ich habe morgens auf dem Fahrrad gefroren. Trotzdem schien jeden Tag immer mal die Sonne.
Wie sehr hab ich mich auf den Samstag gefreut. Ich war jeden einzelnen Abend der Woche so müde und hätte auch an jedem Morgen gerne länger im Bett gelegen, denn nicht immer konnte ich durchschlafen vor innerer Unruhe. So hab ich es am Samstag und Sonntag dann auch gemacht. Natürlich hätte ich später die Fenster putzen können und sicherlich auch sollen – hab ich aber nicht. Das kommt zu der Liste von Dingen für die ich demnächst Zeit haben werde. Am Samstag also: lesen im Bett mit Tee, Yoga, duschen, in der Jogginghose auf dem Sofa liegen, mehr Tee trinken, mehr lesen (im Internetz und im Buch).
Aber dann schien die Sonne so verlockend und ich wollte raus. Eine Runde über den Friedhof. Beim Gorilla vorbei geschaut, das Tränende Herz entdeckt und mich gewundert. Ist es dafür nicht viel zu früh?
Einige Wege wurden frisch geschottert. Kann ich nicht leiden. Da macht barfuß laufen demnächst keinen Spaß mehr.
Weil ich mich verschätzt hatte und es richtig knatterkalt war, drehte ich bald um. Ein Blick in die Buddengasse und ich stellte fest, dass ich den Schornstein bisher noch nie bemerkt hatte.
In den ersten der vielen Jahre in der Friedenstrasse, hätte ich immer gerne das Hochhaus gesprengt. Irgendwann ist es mir dann richtig ans Herz gewachsen und ich bekomme sofort Heimatgefühle wenn ich es sehe.
Heute Morgen war ich früh wach, um 6:30 schon. Die Sonne schien ins Zimmer und die Welt fühlte sich friedlich an – bis ich dann richtig wach war und mir wieder das große, böse C einfiel. Ich hab die Gedanken weggeschoben und erstmal gelesen. Nach dem Yoga saß ich mit Wolldecke und Wärmflaschen auf dem sonnigen Balkon. Ich bin ja ein großer Fan der Einsiedelei, aber mit Freundinnen treffe ich mich auch gerne. Heute war ich mit A.&T. zum Spaziergang mit viel Abstand verabredet.
Wieder über den Friedhof, wo ich beide mit dem Gorilla bekannt machte. Die A. war überrascht über die vielen Pflaster, die T. kannte die Geschichte mit den Vogelangriffen schon.
Noch eine Runde durch den Park Schönfeld und über den Friedhof wieder zurück.
Vor der kleinen Friedhofskapelle hat jemand die Weihnachtsdeko vergessen abzuhängen.
Gerne hätten wir noch zusammen Kaffee bei mir getrunken, aber das ist ja nun leider verboten. So fuhren die beiden nach Hause und ich ging allein nach oben. Seltsame Zeiten.
Was ich vergessen hab:
* Ich faste noch. Heute ist Tag 14. Deshalb war mir die ganze Woche über immerzu sehr kalt, auch an den Tagen als noch so schönes Frühlingswetter war und ganz besonders am knatterkalten Samstag. Ich höre trotzdem noch nicht auf damit denn es begrenzt meinen Aufenthalt in Supermärkten auf ein Minimum.
* Keinerlei Angst oder Bedenken habe ich, ganz für mich persönlich, vor sozialer- oder physischer Distanz. Ich bin so gerne mit mir allein, da wird es sehr lange dauern bis bei mir ein Gefühl von “Hilfe, ich halte es nicht mehr aus und raufe mir die Haare” eintritt. Und glücklicherweise gibt es ja das Internetz, die sozialen Medien und Telefone. Obwohl Telefone – na das ist ein anderes Thema. Immerhin habe ich in dieser Woche 4x privat telefoniert. Normalerweise komme ich maximal auf 1x.
Stay home , stay safe, safe life, eine bestmögliche Zeit,
bis nächsten Sonntag
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