Am Mittwochmorgen bin ich vom Regengeplätscher wach geworden. Das war irgendwie ganz schön. Nach Yoga etc. bin ich ins Café gelaufen. Dabei hab ich überlegt, ob ich mir wohl noch eine Jeans kaufen muss, weil meine Hose in kürzester Zeit schon so nass war und ich sie bestimmt über Nacht im Hotelzimmer nicht getrocknet bekommen würde. Na mal abwarten.
Im Café hing ein großer Bildschirm mit schöner marokkanischer Landschaft plus Koran-Rezitationsgesängen, zumindest halte ich es dafür und mag es gerne. Weil die seltsame Deutsche, die jeden Morgen kommt und alleine Kaffee trinkt, aber sicher lieber was anderes sehen und hören möchte, wird ihr der Kamin angezündet und Weihnachtsmusik aufgelegt. Tja, da kann ich nichts machen….
Zuallererst besuchten wir dann etwas später die marokkanische Association Rencontre Méditerrannènne pour l’Immigration et le Développement _ARMID. Sie sorgen dafür, dass Familien mit einigermaßen sicherem Wohnraum, Essen und Schulmaterial versorgt sind und sie ihre Kinder in die Schule schicken können. Der ganze Prozess der Schulanmeldung wird von einem Mitarbeiter begleitet. Außerdem wurden schon zwei Gruppen von Frauen im Bereich Kosmetik ausgebildet, sodass sie die Möglichkeit haben eine Art Kleinstgewerbe anzumelden und etwas Geld zu verdienen.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen brachte uns ein Taxi zu dem spanischen Verein Mujeros en zonas conflicto MZC – Frauen in Konfliktzonen (nicht nur auf Marokko bezogen). Die Koordinatorin Claudia Gallego und zwei ihrer Mitarbeiter*innen schilderten die Situation der Frauen und Kinder in Tanger und Umgebung. Die Frauen auf der Flucht nach Europa sind auch hier in einer besonders gefährlichen Situation, bedroht von körperlicher und sexuellen Gewalt, dem ohnehin schlechten Gesundheitssystem ausgeliefert, ohne Wohnraum und Perspektive.
Am Abend haben wir uns noch einmal mit Jonas und zwei seiner Mitstreiterinnen vom Alarmphone-network getroffen. Sie haben von ihrer Arbeit und ihrer Fluchtgeschichte erzählt. Über die Situation der Menschen, die in den Wäldern um Tanger herum leben und auf eine Gelegenheit warten, den Grenzzaun nach Ceuta/Spanien zu bezwingen bzw. versuchen, mit einem Boot hinüberzukommen. Beide Möglichkeiten sind absolut gefährlich und so sterben auch sehr oft Menschen dabei. Entweder durch Gummigeschosse der Grenzpolizei oder Unfälle beim Besteigen des Grenzzauns oder schlechte Wetterverhältnisse für die Boote.
Das Alarmphone-Netztwerk wurde gegründet, um über die Gefahren bei der Überquerung der Grenze zu informieren, damit die Menschen sich besser vorbereiten können. Es ist ausdrücklich keine Garantie dafür, dass im Notfall ein Rettungshubschrauber kommen kann. Das ist allerdings den Menschen sehr oft nicht klar, weil die Dringlichkeit ihres Fluchtwillens so groß ist. Und natürlich ist das Alarmphone kein offizielles Notfalltelefon. Die Nummer wird durch Mundpropaganda und mit strengen Auflagen weitergegeben. Im Notfall kann zwar kein Rettungshubschrauber angefordert werden, aber die Mitarbeiter*innen versuchen natürlich trotzdem irgendwie zu helfen und im allerbesten Fall werden tatsächlich Menschenleben gerettet. Letztendlich ist das Alarmphone eine der Möglichkeiten, die Öffentlichkeit über die in Not geratenen Menschen und die unerträgliche Situation an der Grenze zu informieren, damit nicht, wie in der Vergangenheit, die Vorfälle verschwiegen werden, sondern auch politisch Druck ausgeübt werden kann.
Der ganze Tag und dann auch noch der Abend war so eindrücklich und bedrückend, dass ich sehr lange Zeit nicht einschlafen konnte. Am Ende eines solchen Tages kann dann manchmal nur ein Katzenfoto helfen.
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