Im Tagebuch vom 1. Januar 2019 steht: ‘Im nächsten Jahr wäre ich Sylvester gerne am Meer oder im Wald oder irgendwo, wo es ruhig ist.’ Glücklicherweise habe ich den Eintrag rechtzeitig gelesen und mich auf die Suche nach einem solchen Ort gemacht. Da ich mit der Suche erst Anfang Dezember begonnen habe, war am Meer bzw. der Nord- oder Ostsee nichts mehr zu finden, was ich mir hätte leisten können/ wollen und für ein paar Tage wollte ich nicht in einen Zug oder gar in ein Flugzeug steigen. Also habe ich im Umkreis von 100 km gesucht und eine hübsche Ferienwohnung in Germerode entdeckt.
Am Montagmorgen voller Freude die Tasche und dann das Auto bepackt, unterwegs noch schnell einkaufen und dann bei strahlendem Sonnenschein losfahren.
Angekommen. Das Haus, in dem sich meine Ferienwohnung befindet, liegt ganz am Ende der Straße und ist wunderbar geeignet um sofort loszuspazieren.
Noch eben die Tasche auspacken, mich in der Wohnung umsehen, einen Kaffee trinken und dabei aus dem großen Fenster schauen und dann zum ersten Spaziergang aufbrechen.
Kaum aus der Haustür heraus, kann es sofort losgehen.
Am Feld vorbei auf dem noch ein paar Kohlköpfe geerntet werden können.
Hier und da sind sogar Pfützen oder die Spurrinnen vom Traktor gefroren. So kalt war es in Kassel bisher nicht.
Wenn ich Tiere treffe freue ich mich ja immer zuallererst, bin mir aber nicht so sicher ob die Tiere sich auch freuen mich, oder Menschen im allgemeinen, zu sehen.
Ich finde die sehen beide nicht sehr fröhlich aus. Aber was weiss ich schon wie Galloway Rinder aussehen wenn sie fröhlich gucken?
Im Nachbarort gibt es viele hübsch bemalte Fachwerkbalken.
Und eine kritisch blickende Katze.
Auf den Nonnenpfad biege ich nicht ab.
Weil schräg gegenüber vom Nonnenpfad ein Friedhof ist. Es gibt zwar leider fast überhaupt keine alte Grabsteine mehr aber dieser Himmel….
Mit dem Himmel bin ich während des ganzen Rückweges beschäftigt.
Ich muss immer wieder stehen bleiben, mich einmal um mich selbst drehen und staunen. Egal in welche Richtung ich mich wende, der Himmel ist unglaublich.
Manchmal bekomme ich einen richtigen Schönheits – Schreck.
Nach drei Stunden laufen und schauen bin ich hungrig.
Und auch etwas schläfrig. Also knipse ich die Fake – Kerzen (wegen Brandschutz, wurde mir erklärt) an und schaute vom Sofa aus abwechselnd in den Garten und ins Buch bis es Zeit ist zum schlafen gehen.
Am nächsten Morgen, es ist der Sylvestermorgen, ist es trüb. Aber nur das Wetter, ich selbst hab gute Laune. Nach Yoga und Meditation laufe ich einmal über die Wiese durchs nasse Gras bis zum kleinen gelben Gartentor. Dahinter fließt ein Bach und durch den laufe ich einmal hin und einmal her. Toll kalt. Jetzt erstmal eine heiß/kalte Dusche. Dann stelle ich fest: ich hab nicht nur meine Zahnbürste vergessen (hab ich natürlich schon am Vorabend gemerkt, aber in der Badezimmer- Schublade lag tollerweise eine neue Zahnbürste) sondern auch einen Kamm. Nun habe ich ja keine dichte, dicke, wilde Haarmähne sondern eher die sehr gerade, sehr dünne Haarversion und so behelfe ich mich für’s Erste mit meinen Fingern. Geht auch.
Ich kenne mich in und um Germerode etwas aus, da ich in den letzten 20 Jahren mehrere Male für ein Teamfindungsseminar, Yoga – Ausbildungen und Systemische Weiterbildungen dort war. Es gibt dort ein richtig schönes Seminarhaus, das alte Forsthaus Germerode, mit toller Verpflegung, schönen Zimmern, großen Seminarräumen und einem wunderschönen Außengelände. Germerode ist auch bekannt für die Mohnblüte, von der ich hier schon mal erzählt habe und ein Kloster, was auch gleichzeitig eine Tagungsstätte ist, gibt es auch zu besichtigen. Es gibt etwas Gastronomie und auch einen kleinen Dorfladen, der hat aber geschlossen als ich mein Kamm – Dilemma bemerke. Da fällt mir der Laden im Nachbarort ein. Schnell dort angerufen, er hat bis 13 Uhr geöffnet und es dauert ca. 45 Minuten zu Fuß. Da mache ich mich mal schnell auf den Weg. (hier oben so: eine Menge Werbung wegen Verlinkung)
Am hübschen Haus vorbei.
Durch die Mohnfelder, auf denen kein Mohn mehr blüht aber ein Trecker auf seinen Einsatz wartet. Vielleicht ist er aber eher ein ausrangiertes Exemplar.
Nach ungefähr 40 Minuten komme ich im Nachbarort zuerst an einem Sportplatz, einer kleinen Schule, einem Kindergarten, an einem Garten mit Schaukel und vielen Gärten ohne Schaukel vorbei. Weil dem Handy unterwegs der Saft ausgegangen ist, frage ich den einzigen Menschen der mir begegnet, eine Frau die die Straße fegt, nach dem Weg zum Laden. “Gehen sie einfach immer Richtung Kirche”. Wir wünschen uns ein schönes neues Jahr und ich laufe jetzt weiter Richtung Kirche.
Schnell ist das kleine Lädchen für alles gefunden. Einen Kamm finde ich nicht. Dafür eine Tafel Schokolade für mich und ein paar Pralinen für meine nette Vermieterin. Die Haare kämme ich in den nächsten Tagen also weiter mit den Fingern. Oder setze eine Mütze auf den Kopf.
Wieder aus dem Dorf hinaus an einem Busch mit hübschen kleinen Blüten vorbei. Was ist das nur?
Die Sonne kommt für kurze Zeit hervor und ich schaue noch einmal durch die Büsche auf Abterode zurück.
Kurze Zeit später ist die Sonne wieder verschwunden. Trotzdem ziehe ich für ein kleines Stück des Weges mal schnell Schuhe und Strümpfe aus. Ich laufe über einen ausgetretenen Feldweg, probiere immer mal die Eisschicht auf einer Pfütze aus und ziehe dann Schuhe und Strümpfe wieder an. Schön war das und die Füße haben sich über Freiheit gefreut.
Ich laufe zurück durch Wiesen und Felder und dann noch in einem großen Bogen um die eine Hälfte von Germerode herum.
Dann um Germerode hindurch bis ich zum Kloster komme.
Fast 14 Uhr ist es und ich bekomme Hunger.
Wenn ich aber schon mal am Kloster bin, will ich noch schnell über den Friedhof laufen.
Und durch den Klostergarten. Dort gibt es zu anderen Jahreszeiten Unkraut zum selber pflücken.
Es dauert noch eine ganze Stunde bis ich zu Hause ankomme, obwohl ich keine Pause auf dem Stuhl mache. Den restlichen Tag verbringe ich mit essen, lesen, schreiben, lesen, aus dem Fenster schauen…. Um 23 Uhr gehe ich ins Bett weil ich müde bin. Kurz vor 24 Uhr werde ich wach wegen Geböller und Geknaller. Ich vergesse, dass ich Wunderkerzen dabei hab und bleibe einfach im Bett liegen.
Der Neujahrsmorgen begrüßt mich mit einer glitzernden Wiese im Sonnenschein. Es ist wirklich richtig hammerkalt an den Füssen. Macht aber Spaß.
Einmal um den Pool herum und dann schnell wieder hinein. Dicke Socken muss ich aber nicht anziehen denn es gibt Fußbodenheizung. Totaler Luxus.
Etwas später laufe ich, diesmal mit Schuhen, noch einmal zum Pool.
Wegen der hübschen Kacheln.
Und noch anderen Dingen die so herumliegen und auch hübsch aussehen.
Ein ganzer Eimer voller Schrauben, Muttern, Kram und Schotter.
Anschließend gibt es Kaffee mit Buch. Aber nur für eine halbe Stunde, denn dann will ich wieder raus in den sonnigen Tag.
Überall Glitzer.
Zuerst laufe ich am Wald entlang durch den Sonnenschein. Weil ich aber am Wildpark vorbei laufen möchte, muss ich irgendwann abbiegen und eine Weile durch Schatten laufen.
Das ist aber nicht so schlimm, denn im Schatten ist der Raureif noch nicht weggeschmolzen und sieht hübsch aus.
Im Wald steht ein Auto in seltsamen Tarnfarben.
Der Wildpark ist geöffnet obwohl auf der Homepage stand, dass er geschlossen ist. Darüber freue ich mich und kaufe auch gleich eine Tüte Tierfutter damit ich die Ziegen füttern kann. Zuerst werde ich aber von einem Schnullerbaum begrüßt. Noch nie davon gehört? Ich auch nicht.
Hier ist die Erklärung.
Anschließend durch ein Tor und schon werden ich und alle anderen auch, von einer wilden Ziegen – Gang umzingelt. Ich bin etwas erschrocken und traue mich noch nicht den Ziegen meine Hand zum füttern entgegen zu strecken. Erstmal orientieren und etwas weiter gehen.
Da kommt schon die nächste Überraschung angerannt.
Ich hab nicht wirklich erwartet, dass die Rehe so nah heran kommen.
Ganz schön groß sind die auch und ich bin dann doch froh, dass sie in etwas Entfernung stehen bleiben und mich einfach nur anstarren. Sehr aufregend ist das. Während ich durch den Wald laufe und vielen Rehen, Hirschen und allerlei anderem Wild begegne, frage ich mich, ob sie es wirklich gut haben so mit einem Zaun drumherum.
Während ich so nachdenke, begegnen mir noch einige andere Tiere und am Ende traue ich mich auch die Ziegen zu füttern und sogar einen beeindruckend großen Hirsch. Dabei zittert meine Hand so sehr, dass der Hirsch seinen Kopf schnell wieder zurück zieht. Es dauert einen Moment bis wir unsere Scheu voreinander verlieren und es noch einmal, diesmal erfolgreich, versuchen. Und so hätte ich mir auch eine Tapferkeits-Urkunde gewünscht. Die bekommen aber ja nur die tapferen Ex – Schnullerkinder.
Am Ausgang, neben dem Schnuller-Baum: Narzissen, selbst gebastelt.
Nach dem Wildpark suche ich mir eine Bank in der Sonne, esse mein mitgebrachtes Frühstück, es ist mittlerweile 14 Uhr, und laufe anschließend noch eine Stunde den Panoramaweg entlang und durch die Straßen von Germerode, in denen ich Sylvester – Überreste herumliegen.
Jetzt freue ich mich auf mein Buch und einen Kaffee. Später gibt es Nudeln und sehr scharfe Tomatensoße. Die Soße habe ich am Sonntag selbst gekocht und den Rest in ein Glas gefüllt und mitgebracht. Sehr praktisch. So muss ich also nur Nudeln kochen und die Soße heiß machen. Dann schreibe ich viel, beantworte mir Fragen zum neuen Jahr, sammele Ideen und gehe zufrieden ins Bett.
So sonnig ist der nächste Morgen. Yoga, Meditation und Kaffee. Alles mit offener Tür.
Danach aufräumen und einpacken.
Noch durch die Wohnung laufen und alles knipsen was ich hübsch finde. Die 60er Jahre Garderobe.
Die vielleicht eher 70er Jahre Lampe.
Badezimmerkacheln.
Jetzt schnell das Auto bepacken. Ich muss um 12 Uhr die Wohnung verlassen. Es ist nun 11 Uhr, ich bin fertig, gebe den Schlüssel ab und laufe noch eine letzte Runde.
Ich hab mal das andere Objektiv drauf geschraubt und finde viele kleine Dinge.
Noch ein letzter Blick in den eisigen Bach und schon muss ich leider Abschied nehmen. Der erste Eintrag im Tagebuch am 1. Januar 2020 lautet: ‘Im nächsten Jahr will ich Sylvester am liebsten am Meer oder wieder in Germerode sein.’ Und vielleicht sogar mit zwei Freundinnen. Wir haben nun fast ein Jahr Zeit zum überlegen.
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Das Rote ist Euonymus europaeus L.
Aufgeplatzt.
Und sehr giftig.
Es gruesst janz brav das Schaaf
Auf das schlaue Schaaf ist einfach Verlass. Ganz herzlichen Dank sagt der Elefant.