In der Seifenwerkstatt

So unscheinbar sieht sie aus, die Seifenwerkstatt. Deshalb bin ich auch zuerst daran vorbei gelaufen. Und auch im Inneren verbirgt sich ein eher kleiner Verkaufsraum, der aber mit einer großen Menge verschiedenster Seifen gefüllt ist. An der Rückwand des kleinen Raumes ist ein großes Fenster durch das man in eine Art Büro und die dahinter liegende Werkstatt sehen kann. Ich frage die freundliche Frau hinter der Theke nach einer Besichtigung und erfahre, dass die nächsten Besichtigungen um 15:00 und um 16:00 Uhr sind. Es ist erst 12:00 Uhr, also kehre ich in zwei Sunden wieder zurück.

Kurz vor 15:00 Uhr hat sich schon eine kleine Gruppe versammelt. Draußen wird der Himmel immer dunkler und die ersten dicken Regentropfen fallen. Und dann beginnt ein richtiger Wolkenbruch. Ganz schnell wird das Garagentor heruntergelassen, ich wundere mich ein wenig und denke mir “Oh und nun sind wir zwar hier drin, aber es kann auch niemand sonst mehr hinein, seltsam”. Dann sehe ich aber, dass der obere Teil vom Garagentor große Fenster hat und rechts ist sogar eine Tür. In die Tür, kommt ein Keil damit sie nicht zu fällt. Praktisch das alles. Draußen stürmt es und die Blätter wirbeln durch die Luft.

Und wir stehen drin und schauen zu.

Auf meinen Spaziergängen durch Marseille sind mir so sehr viele Seifenläden begegnet. Überall wurden die grünen Würfel mit dem Aufdruck ‘Savon de Marseille’ verkauft. Auf vielen war der Stempel 72 % Olivenöl. Ich hatte schon vermutet, dass nicht alle Seifen echte ‘Savon de Marseille’ Seifen sind und nicht zu 72 % aus Olivenöl bestehen, allerdings wusste ich nicht, dass die Rezeptur und die Inhaltsstoffe nicht geschützt sind. Also können alle Seife herstellen, einen Stempel aufdrucken und die Seife als ‚echte‘ Seife aus Marseille verkaufen. Auf der Suche nach der Adresse einer Seifenfabrik hatte ich das alles erfahren. Und auch gelesen, dass es viele Seifensieder in Marseille gab. Mittlerweile gibt es nur noch eine einzige, die Savonnerie de la Licorne, in der die original ‘Savon de Marseille’ hergestellt wird.

Wir werden in die hinteren Räume geführt und kommen zuerst am riesigen Seifenkochtopf vorbei. Der sieht recht modern aus, im Gegensatz zu den anderen Geräten die für die weiteren Schritte benötigt werden. Im großen Kochtopf wird die original Olivenölseife hergestellt.

Außer den  grünen, quadratischen Olivenölseifenwürfeln werden noch Seifen mit verschiedenen anderen Düften hergestellt. Dazu werden wir in den nächsten Raum geführt. Dort prasselt der Regen so laut auf’s Dach, dass die Erklärung kaum zu verstehen ist. Da ich die Einzige bin, die nicht französisch sprich, bekomme ich eine Übersetzung auf Englisch und dazu stellt sich der junge Mann, dessen Namen ich leider nicht verstanden habe, direkt neben mich. So ein Glück, denn sonst wäre es wirklich zu laut gewesen. Die kalt verarbeitete Seife wird zuerst gemahlen und dann durch zwei Granitrollen zu dünnen Blättern gewalzt. Ich verstehe nur Lasagne und kann mir gleich etwas darunter vorstellen.

Während der französischen Erklärung kann ich neugierig rumgucken und knipsen. Das ist der rote Knopf, auf den man drücken muss, damit die Walzen sich in Bewegung setzen. Er ist mit Seifenspäne verklebt.

Genauso wie eigentlich alles in der Werkstatt voller Seifenspäne ist.  Besonders Spaß hat mir der Fußboden gemacht. Und – traraaa – hier kommt jetzt ein noch nie da gewesenes kleines Filmchen zur Demonstration, bei dem man auch sehr schön das laute Regenprasseln hören kann:

Da nützt der sehr alte, aber dafür sicher sehr saubere, Besen auch nichts.

Im nächsten Schritt wird der Seifenmasse dann der gewünschte Duft hinzugefügt und dazu werden die Seifenblätter wieder zermahlen. In diesem Gerät.

Und am Ende kommt dann so ein Granulat heraus.

Das Granulat kommt nochmals in eine Maschine und wird dort zu Tagliatelle Bändern gewalzt. Noch ein Film und dann ist Schluss damit.

Die Seife kommt jetzt nochmals in eine Maschine, wird erhitzt und am Ende werden unten quadratische Seifenwürste herausgepresst. Sie werden von Hand geschnitten und gestapelt.

Und im nächsten Schritt mit einem ‚L‘ bestempelt. Das ‚L‘ steht für Licorne, denn die Werkstatt ist nach einem Einhorn benannt.

Reinigungswerkzeug für die Maschine.

Eine andere Maschine ist dazu da, runde oder ovale Seifen herzustellen. Dazu kommt auch erhitzte Seife in die Maschine und dann wird die gewünschte Form herausgestanzt.

Die noch recht weichen Seifenwürfel werden gestapelt, in Kisten verpackt und müssen, bevor sie im Laden verkauft oder per Post verschickt werden, noch 10 – 15 Tage trocknen.

Der größere Teil der Herstellung wird mittlerweile in die USA oder Japan exportiert. Ich finde es einfach unglaublich, was für Seifenmengen in dieser kleinen Werkstatt, in der es zwar Maschinen gibt, die aber alle von Hand bedient werden und sehr alt sind (eine Maschine wurde 1898 gebaut), hergestellt werden. Und ich freue mich darüber, dass die Qualität der Seife so sehr geschätzt wird, dass die Nachfrage so sehr gestiegen ist, dass es seit ca. 6 Jahren sogar einen zweiten kleinen Laden am Alten Hafen von Marseille gibt.

Wieder zurück im Ladenlokal sehen und riechen wir nun alle die Seife mit anderen Augen und Nasen. Die Seifenwürfel ganz oben im Regal sind nicht zum Verkauf gedacht. Sie sind Erinnerungsstücke einer Seifenkultur, die bis in die Jahre um 1785 zurückreicht. In dieser Zeit hat der französische Arzt und Chemiker Nicolas Leblanc als Erster ein Verfahren zur künstlichen Herstellung von Soda entwickelt und später aus Olivenöl und Soda, Seife gekocht. Schon zu dieser Zeit setzte sich ein Olivenölanteil von 72 % als beste Qualitätsstufe durch. Da die alten Olivenölseifen auf dem Regalbrett von dieser hohen Qualität sind, verderben sie nicht, sie sind vielleicht nicht mehr so ansehnlich, könnten aber immer noch zum Hände- oder Wäschewaschen benutzt werden.

Ob und wie viel Seife ich gekauft hab? Sag’ ich nicht. Genug Körbchen für den Transport zur Kasse hätte es gegeben.

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