Am nächsten Morgen werde ich in der muffigen Ferienwohnung wach. Ich trinke Tee im Bett und bin etwas wehmütig, weil mir das Cihangir Yogastudio fehlt. Es ist nicht nur einfach geschlossen, sondern auch das Schild am Haus wurde entfernt. Vermutlich ist Corona der Grund dafür. In einem weiter entfernten Stadtteil gibt es noch eine Filiale, aber der Weg ist zu weit um dort jeden Vormittag hin zu fahren. Das finde ich sehr, sehr schade, denn der Yogaunterricht hat mir dort so viel Spaß gemacht, meinen Tag strukturiert und ist seit all den Jahren für mich so eng mit meinen Istanbul Besuchen verbunden. Deshalb bin ich etwas traurig und fühle mich ein klein wenig verloren.
Deshalb ist es schön eine Frühstücksverabredung zu haben. Ich mache kein Yoga sondern dusche und dann geht es auch schon los. Am Morgen ist die Istiklal Caddesi noch sehr leer und manchmal rollt sogar ein Auto durch die Straße.
Ich laufe alte Wege um zu schauen was sich verändert hat. Diesen kleinen Laden in dem man Spielzeug und Schreibwaren kaufen kann gibt es immer noch. Die Deutsch-türkische Buchhandlung gibt es auch noch, aber weil der Inhaber, Herr Mühlbauer, nicht hinter seinem Schreibtisch sitzt, mache ich keine Kaffeepause.
Neues Kunstwerk in der Turnacıbaşı Caddesi. Kurze Zeit später sitze ich im alten Morgens-vor-dem-Yoga Café. Es hat wieder einmal die Besitzer gewechselt und der Kaffee ist nicht mehr so lecker. Wie gut ist es da, dass Smilla kurze Zeit später die Straße herunter kommt und wir ins Frühstücks-Café nach nebenan wechseln.
Beim Frühstück überlegen wir gründlich, was und wohin wir gerne wollen und ob wir das allein oder zusammen tun.
Wir könnten ja zusammen loslaufen und schauen, was so passiert. Und das tun wir dann auch. Zuerst schnell die Istiklal Caddesi überqueren und dem Getümmel entfliehen. Dann noch über den großen Tarlabaşı Boulevard und schon sind wir in den kleinen Gassen und Erinnerungen verschwunden.
Smilla hat vor ein paar Jahren hier schon viel fotografiert, aber es ist nie schlecht, noch mehr Fotos zu haben, zumal sich viel verändert hat in der Zwischenzeit.
Ich war noch nicht so gründlich in diesem Teil der Stadt und freue mich über unbekannte Wege.
Ich sehe mich um und werde dabei beobachtet.
Und knipse drauflos.
Ob das alte Karussell wohl ein Corona-Opfer ist? Ich hoffe sehr, es dreht sich wieder irgendwann für die Kinder.
Nach einer Weile kommen wir an einen Bauzaun, der um eine sehr große Baustelle herum führt.
Besonders bei mir bricht die tiefe Baustellenliebe aus. Und ich überlege dauernd, ob das wohl die große Baustelle sein könnte, die ich schon in den letzten Jahren immer wieder besucht habe, allerdings immer von einer anderen Seite. Als gäbe es nur eine große Baustelle in der Stadt. Später stelle ich fest, dass es natürlich eine ganz andere ist.
Wir laufen fast einmal drumherum bis wir wieder am Tarlabaşı Boulevard ankommen und uns nicht einig sind, in welche Richtung wir laufen sollten. Ich sage wo’s lang geht und wir kommen letztendlich auch dort an wo wir wollten. Allerdings habe ich gerade nochmal auf dem Stadtplan nachgesehen und festgestellt, dass wir einen beachtlichen Umweg gelaufen sind.
Ich wollte gerne zur altbekannten Baustelle und nachsehen, ob da vielleicht mittlerweile ein Gebäude steht.
Nein, dort sind die Bauarbeiten weiterhin in vollem Gange.
Und mehrere Baukräne gibt es auch.
Ich bin sehr begeistert.
Und ich glaube die Freundin auch.
Ein letzter Blick und dann ist Zeit für eine Pause. Es gibt geeisten Kaffee mit Blick Richtung Baustelle. Beim Kaffee überlegen wir noch einmal tiefgründig, wer nun wohin geht und gehen dann zusammen weiter.
Zuerst über den Taksim Platz an der neuen Moschee vorbei. Wir finden sie beide zu neu und zu groß und zu protzig. Sie hat den Platz sehr verändert und drängt die alten Gebäude in den Hintergrund. Ich werde sie mir aber trotzdem bei meinem nächsten Besuch ansehen.
Wir laufen weiter Richtung Fähranleger Kabataş. Zwischen den Häusern können wir immer mal einen Blick auf den Bosporus werfen.
Beinahe wären wir richtig abgebogen und an meiner Sprachschule von vor 7 Jahren vorbei gekommen.
Sind wir aber nicht. Stattdessen an schlafender Katze vorbei gelaufen.
So sehe ich bei der professionellen Katzenfotografie aus.
Neugieriger Blick. Den habe ich dann auch noch hinein geworfen. Wir haben uns dann beide etwas geschämt, denn es war eine Wohnung von jemandem der/die keinen sicheren Ort hat. Das finde ich immer sehr traurig, kommt aber leider oft vor in Istanbul. Und auch anderswo.
Auch am m Fähranleger ist seit ein paar Jahren eine Großbaustelle. Die Fähren fahren aber trotzdem. Wir wollen Fähre fahren und von Kabataş geht es hinüber nach Üsküdar. Weil wir ganz hinten oben sitzen schauen wir zurück zum Dolmabahçe Palast.
In Üsküdar bekomme ich einen Menschen Schreck. Alle warten auf die Fähre. Abstand funktioniert da nicht.
Wir laufen den Üsküdar Harem Sahil Yolu entlang. Den mag ich so gerne. Es gibt immer viel zu sehen.
Rosa Knödel.
Selfie Point.
Wenn ein Herz über dem Kopf schwebt.
Am Wasser sitzen.
Und dort irgendwo, auf dem Weg zwischen Üsküdar und Harem wird uns die Tiefgründigkeit unserer Gespräche bewusst. 90% unserer Unterhaltungen des Tages klingen nämlich ungefähr so:
‘Warte mal kurz’, ‘Guck mal da’, ‘Siehst du die Katze?’, ‘Schau mal wie schön’, ‘Bleib stehn!'(Wenn ich aus versehen ins Bild laufe), ‘Hier habe ich schon mal eine rote/schwarze/weisse/bunte Katze fotografiert’, ‘Können wir mal kurz abbiegen, ich will mal schauen ob das Haus noch steht – wahlweise auch das Café, der Laden… noch da ist’, ‘Moment, ich komme gleich’, ‘Da hab ich schon mal Kaffee/ Çay getrunken/ Balık ekmek/ Menemen….gegessen’, ‘Oh wie toll’, ‘Ach ist das schön hier’, ‘Wahnsinn’, ‘Schau doch mal’, ‘Dort drüben habe ich die zwei Frauen angesprochen’, ‘Hast du die Katze da oben schon gesehen?’, ‘So ein Glück’, ‘Wir haben es wirklich so gut’, ‘Guck mal da, das gibt’s doch gar nicht’, ‘Unglaublich, schau doch mal. Da. DA!!’ (bezogen auf das nächste Foto)
Denn als wir uns gerade an einem kleinen Fischlokal hinsetzen wollten, schwammen Delfine vorbei. Vielleicht so 4-5, die immer mal wieder zum Luft holen auftauchten und in der Zeit haben wir beide hektische Fotos geknipst. Na ja, wenigstens ein Delfinrücken ist hier zu sehen. Das war wirklich toll und wir waren ganz und gar aus dem Häuschen vor Glück.
Es gab auch noch Möwen, die Interesse an sämtlichen Essensresten hatten.
Und Hühner, die immer mal mit den Möwen in einen Streit gerieten.
Wir sind übrigens die, die hinter dem Zaun sitzen. Die Frauen sitzen davor.
Bosporus-Schwimmer.
Picknickplatz der Bosporus Schwimmer.
Autofähre von Harem. Dort laufen wir hin.
Auf der Fähre ist außer ‘Ach’ und Ohhh’ und ‘Hach wie schön’, wenig von uns zu hören.
Wir schauen hauptsächlich glücklich über den Bosporus.
Galata Turm in der Hand.
Während wir ankommen, fährt die nächste Fähre schon wieder ab. Wir trödeln, weil wir nicht in das Menschengewimmel geraten wollen.
Ich brauche eine Galata Brücken Pause.
Kein Istanbul Besuch ohne Galata-Brücken-Angler Foto.
Barbie im Tüllkleid versteckt.
Zusammen von der Brücke aus die Schiffe beobachten.
Dann laufen wir weiter und fahren mit der Tünel Bahn nach oben auf die Istiklal Caddesi.
Etwas weiter oben bin ich am Morgen losgelaufen. Jetzt ist sehr viel mehr los. Leider müssen noch wir ein ganzes Stück laufen bevor wir endlich abbiegen können.
Wir gehen ins gleiche Lokal wie schon die zwei Abende zuvor. Trinken Bier, reden lange und diesmal tatsächlich Tiefgründiges. Erst als es schon sehr dunkel und auch spät ist, geht die eine nach rechts und die andere nach links, allerdings nicht ohne uns für den nächsten Tag noch einmal verabredet zu haben. Allerdings erst für den späten Nachmittag.
Und wieder ein ganz großer Dank an Smilla für die tollen Fotos auf denen ich zu sehen bin und für den wunderbaren Tag. Wer gerne noch viel mehr Istanbul Fotos sehen möchte: Smilla bloggt hier – auch über Istanbul.
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