Am Samstagmorgen sah der Himmel, wie von der Wetterapp vorhergesagt, sehr grau aus. Für genau diesen Fall hatte ich mich am Tag zuvor schon auf die Liste für die Teilnahme an einer 3,5-stündigen Times of misfortune war Tour eintragen lassen. Sie würde in einem Auto stattfinden und auch die Besichtigung der Sarajevo-Tunnel gehörte dazu. Zuallererst gab es aber einen Tee im Bett und eine Runde Yoga. Weil es dem Magen weiterhin nicht besonders gut ging, hatte ich keine Lust auf Kaffee.
Auf dem Weg zum Treffpunkt habe ich mir außer einem Regenschirm auch noch ein Sweatshirt gekauft. Mir war richtig kalt und für einen solchen Fall hatte ich überhaupt nichts dabei.
Am Treffpunkt angekommen, stellte sich Nermin vor. Er ist ein Kriegsveteran und hat wirklich viel und eindrücklich über die Belagerung der Stadt berichtet.
Katze des Tages an der alten Stadtmauer der Gelben Bastion.
Weil die Rundfahrt und der Bericht auf Englisch war, musste ich mich sehr konzentriere, um alles zu verstehen. Und weil alles, was ich erfahren habe, wirklich schrecklich war, hatte ich keine Kapazitäten mehr, um Fotos zu machen. Außerdem kam es mir auch irgendwie falsch vor, in all dem Schrecken herumzufotografieren. Deshalb gibt es nur die Granate, die zusätzlich zu vielen anderen im Tunnel-Museum von der Decke hing. Der Sarajevo-Tunnel war eine unterirdische Fußweg-Verbindung unter der Start- und Landebahn des Flughafens von Sarajevo zwischen dem durch serbische Streitkräfte belagerten bosnisch-kroatischen Teil der Stadt und einer angrenzenden Vorortgemeinde, die nicht belagert war. Er diente zur Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff, Waffen, zum Transport von Verwundeten und zur Flucht.
Schlitten mit Kanistern, auf dem im Winter Medikamente, Lebensmittel etc. vom Tunnel in die Stadt transportiert wurden.
Als hätte der Vormittag an Traurigkeit nicht schon genügt, war ich am Nachmittag auch noch im Museum für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord 1992–1995. Danach wollte ich gar nichts mehr. Habe mich eine Weile in den Innenhof der Careva džamija der Kaisermoschee gesetzt und nur herumgeguckt. Es war entspannend, einfach ein paar hübsche Blumen ansehen zu können.
Sonnenschein am Sonntagmorgen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Richtig frisch war es trotzdem, nur 13°. Nach einem Tee im Bett hab ich trotz Übelkeit eine Runde Yoga geturnt. Ging ganz gut.
Um das schöne Wetter zu nutzen, ging ich zum Veliki park , dem Großen Park, der fast direkt vor meiner Haustür lag. Dort habe ich mir das Denkmal für die mehr als 1300 Kinder, die während der Belagerung Sarajevos getötet wurden, angesehen. Die zweiteilige Glasskulptur symbolisiert eine Mutter, die ihr Kind schützt, sie steht in einem runden Brunnenbecken. Die bronzene Brunneneinfassung wurde aus Granat- und Munitionshülsen hergestellt, die zuvor in den umliegenden Bergen gesammelt wurden.
Ganz in der Nähe vom Brunnen und sind noch einige steinerne Stelen, auf denen 521 der Kinder namentlich verzeichnet sind. Weitere Namen sollen noch ergänzt werden.
Der Park ist an einem Hang. Also ging es erstmal bergauf. Oben angekommen hatte ich die Auswahl zwischen verschiedenen kleinen Straßen. Weil mein Ziel ein ganz bestimmtes Café war, hielt ich mich rechts.
Weil es noch so früh war, war es überall ganz ruhig und friedlich.
Die Katze des Tages schläft deshalb auch noch auf einem Auto herum.
Mein Ziel-Café heißt KAWA und genau in dem Moment, in dem ich dort ankomme, steht Mr. Vrećo an der Theke und kauft sich ein Getränk to go. Und was tue ich? Bekomme eine hochroten, heißen Kopf, drehe mich blitzschnell herum, um nicht gesehen zu werden. Und mache dieses großartige Foto. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Außer vielleicht, dass er genau dort stand und ich ihn noch gehen sah.
Wenigstens konnte ich danach in Ruhe Cappuccino trinken. Ich musste ja nun nicht mehr befürchten, überrascht zu werden. Und ja, ich wusste natürlich genau, warum ich genau in dieses Café wollte. Und natürlich hab ich mich auch gefreut. Aber überrascht und überrumpelt war ich trotzdem. So ein Leben als Fangirl ist schon mit viel Aufregung verbunden.
Wäscheleinenpoesie mal anders.
So schöne Balkone direkt gegenüber des Pijaca Markale, des offenen Marktes.
Auch dort gibt es eine Rose von Sarajevo. Es ist nur eine Rose, obwohl der Markt gleich zweimal von Granaten getroffen und mehr als 100 Menschen getötet und viele verletzt wurden.
An der Rückwand des Marktes ist eine Gedenkwand mit den Namen der Opfer angebracht.
Ich laufe durch den Markt und würde gerne etwas von dem angebotenen Obst und Gemüse probieren, traue mich aber nicht richtig, weil mir nach dem Cappuccino natürlich wieder schlecht ist.
So hübsch die kleinen Modelle.
Während ich so durch die Straßen laufe, habe ich mich zum ersten Mal seit ich in Sarajevo war richtig angekommen gefühlt. Ganz ruhig. Manchmal braucht es etwas länger. So dürfte es nun gerne noch ein paar Wochen weiter gehen. In Wirklichkeit steht aber der Abschied schon fast vor der Tür.
Dann war da plötzlich die Alte serbisch-orthodoxe Kirche der Heiligen Erzengel Michael und Gabriel. Und weil aus ihr schöne Musik zu hören war, hab ich mich eine Weile hineingesetzt und zugehört.
Hinterher bin ich einmal um die Kirche herumgelaufen und hab dieses Fenster mit der so hübschen Gardine gefunden.
Im Nebengebäude war ein kleines Café. Die Tür von der Küche stand offen und ich wollte wissen, was wohl in der großen Tüte steckt. Weil ich nicht einfach hineingehen und neugierig herumstöbern konnte, hab ich einfach ein Foto gemacht. Es sind viele kleine Zuckertüten und geraucht und getrunken wird dort scheinbar auch in großen Mengen.
Gegenüber von der Kirche sind Restaurierungsarbeiten im Gang.
Blumenladen.
So eine allerschönste Hausecke.
Falls eine kleine Pause nötig ist. Einfach hinsetzen.
Nochmal durch die Baščaršija gelaufen, den Basar. Links ist der Uhrenturm und in der Mitte der Sebilj, der öffentliche Brunnen.
Beim ersten Stadtrundgang am Freitag wurde erzählt, dass man, wenn man vom Wasser des Brunnens trinkt, ganz sicher wieder nach Sarajevo kommt. Ich hatte gleich am Freitag davon getrunken, aber es schadet ja nicht, nochmal vom Brunnen zu trinken.
Um den Brunnen herum und auf den Dächern wohnen sehr viele Tauben.
Die hängen dort immer noch. Kein einziger Elefant ist in meine Tasche gewandert.
Dann wurde der Himmel immer grauer und die ersten dicken Regentropfen fielen herab. Weil ich den erst am Vortag gekauften Regenschirm blöderweise nicht dabei hatte und alle Regenschirme, die zum Verkauf angeboten wurden, plötzlich 3x so viel wie üblicherweise kosteten, hab ich mir stattdessen ein hübsches Hamam-Tuch bzw. Schal gekauft. So ein Schal ist auch prima geeignet, wenn der Regen noch nicht so schlimm ist.
Richtig, richtig schlimm wurde der Regen dann, als ich gerade am Rathaus ankam.
Das habe ich dann gleich besucht.
Ziemlich beeindruckend ist es dort. Fotos leider nur mit Handy erlaubt.
Weil ich gelesen hatte, dass es auch Ausstellungsräume gibt, bin ich zuerst ganz nach oben gegangen.
Mr. Beuys war auch da.
Leider hab ich vergessen aufzuschreiben, von wem die letzten beiden Kunstwerke sind. Sehr schade.
Viele Treppenstufen wieder nach unten.
Ich war etwas länger als zwei Stunden im Rathaus gewesen und die ganze Zeit über hatte es geregnet.
Aber dann gab es eine Regenpause und ich machte mich mit Umweg auf den Heimweg.
Ab hier fielen dann schon wieder dicke Regentropfen. Und kurze Zeit später ging es so richtig los. Wie gut, dass das Café KAWA um die Ecke war. Dort habe ich dann über eine Stunde gesessen, gelesen und dem wilden Regen und Gewitter zugeschaut. Hier hat sich ein großer Fehler eingeschlichen. Denn an dieser Stelle fielen zwar Regentropfen, aber es folgte kein Café Besuch, denn das Café schließt am Sonntag früher und ich bin einfach nach Hause gegangen. Das wilde Gewitter fand erst am nächsten Tag statt.
Das Fensterfoto habe ich irgendwann im Laufe des Tages gemacht. Ich bin sehr oft durch die Straße gelaufen, aber es war mir bisher nie aufgefallen. Jetzt ist es mein absolut liebstes Lieblingsfenster. Die Gardinen sind einfach zu schön, finde ich.
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